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66°North Snaefell – Hardshell mit Polartec NeoShell im Praxistest

Es gibt Dinge, die sind rein von ihrer Herkunft immer schon mit einer gewissen Wertung in positiver, als auch negativer Form behaftet. Nehmen wir mal die Merinowolle. Eine oftmals gelesene „Wertung“, die man einmal unkommentiert stehen lassen mag, ist z.B. folgende: Aufgrund der klimatischen Bedingungen sind Schafe aus Neuseeland diejenigen, die die besten Fasern aus Merinowolle liefern. Überlegt man nun mal spontan über unseren hohen Norden in Europa und sagt das heraus, was einem spontan über Island einfällt, so haben wir sicherlich auch „wunderbare Landschaften“, „raues Wetter“, „stürmisch“ und „verregnet“. Ist man sich nun bewußt, dass 66°North eine Marke aus Island ist, so liegt die Hoffnung nah, dass sie durch ihre geographische Lage es auch verstehen nah an den Bedürfnissen erstklassige Regenjacken herzustellen. Mit der 66°North Snaefell wagen wir mal unsere erste persönliche Tuchfühlung mit der Marke und sind zugleich mit den Tests der Jacke nicht allein, denn auf der ispo war die Jacke u.a. schon der Gewinner der ispo Outdoor Awards 2011.

Mit so viel Vorschusslorbeeren ausgestattet, ist es natürlich nicht leicht dieser Erwartungshaltung gerecht zu werden. Widmen wir uns daher erst einmal der Marke 66°North. Die isländische Marke ist eigentlich keine allzu neue Marke auf dem Bekleidungsmarkt, denn 2011 feierte die Brand ihr 85-jähriges Bestehen. Ursprünglich gab es von der Marke, die seit 1926 produziert überwiegend Arbeitskleidung. Kleidung für höchste Ansprüche, aber zugleich auch robust. Hinzu kam seit einigen Jahren auch die Alltagskleidung im Lifestylebereich, die funktionell, aber trotzdem noch sehr straßentauglich ist. Bis hierhin könnte man bei uns in Deutschland spontan an eine Marke aus Norderstedt denken, wären da nicht noch die besagten Produkte aus der Outdoorbekleidungslinie, wie die zuvor angesprochene Snafell Jacke.

Bei der 66°North Snaefell hat man hierzulande dank dem ispo Award nicht mehr ganz einen Geheimtipp in den Händen, die Marke selbst mischt inzwischen auch ganz gut mit im Bereich der hochqualitativer Sport- und Freizeitbekleidung, liegt in der öffentlichen Wahrnehmung aber noch etwas zurück. Wir wollen nun an der 66°North Snaefell zeigen, ob dies unbegründet oder zurecht so ist.

66°North Snaefell Jacket

 

Rein die Optik und somit der erste visuelle Eindruck verrät, dass man hier eine sehr technische Hardshell in den Händen hält. Nimmt man allein die Anordnung der Taschen, so erkennt man den Gedanken an dem Einsatz mit Klettergurt bzw. Rucksack, besondere Details wie eine kleine Kartentasche am linken Ärmel oder der athletische Schnitt mit verlängerten Rücken. Interessant ist die Jacke ohnehin, aber durch den Einsatz von Polartec® NeoShell® ist die Jacke natürlich im Warenangebot der Shops schon einmal eine kleine Abwechslung zu den vielen anderen Jacken mit GORE-TEX® Membranarten. Nun gibt es seit vielen Jahren von GORE-TEX® immer mal wieder Vorstöße im Bereich der hohen Atmungsaktivität und Feuchtigkeitsregulierung im Inneren, mit NeoShell® ist nun die passende Antwort von Polartec® im Bezug auf Gore-Tex® Active-Shell® auf dem Markt und zuerst in der Snaefell zum Einsatz gekommen. Widmen werden wir uns daher sowohl dem Snaefell Jacket, als auch der Polartec NeoShell Technologie.

Wollen wir uns erst einmal der Membran widmen, denn wie wir nachfolgend noch erklären werden, ist eine NeoShell Jacke auf dem zweiten Blick nicht gleich eine NeoShell Jacke. Man muss vielleicht darauf hinweisen, dass es aus unserer Sicht eigentlich zwei Gruppen von NeoShell Jacken gibt. Beide Arten haben wir bei uns im Netzwerk auch schon mal vorgestellt, daher hier der markante Unterschied mal in Kurzform: Das Snaefell Jacket fällt unter die NeoShell Kategorie „Hardshell“, hat ein Nylon Außenface und ein Polyester Trikot-Lining auf der Innenseite. Das auf HikingGear.de vorgestellte Jammu Jacket von The North Face ist wiederum aus der Softshell Variante von Polartec NeoShell mit einem Velour auf der Innenseite. Bei der Haptik gibt es hierbei folglich Unterschiede, in der Wassersäule gibt es jedoch keinen Unterschied. NeoShell hat immer eine Wassersäule von 10.000, die jedoch im Laufe der Zeit auf 5.000 runter gehen könnte. Auch mit einer Wassersäule von 5.000  wäre die Jacke nach den geltenden Definitionen immer noch absolut wasserdicht. Wer also im Laden zuerst das NeoShell Label sieht und sich wundert, warum nun zwei Jacken mit derselben Membran sich unterschiedlich anfühlen, dem sei nun zuvor die Erklärung gegeben.

Wer also aufmerksam mitgelesen hat, der wird nun beim Blick in die Jacke feststellen, dass man hier die typische Innenansicht der besagten Hardshell vorfindet. Kein Velour, dass an Microfleece erinnert, dafür aber eine Struktur, die genauso weich und angenehm auf der Haut ist, jedoch nicht noch zusätzlich wärmt.

Bild: Polartec

Bild: Polartec

Das Geheimnis hinter Polartec® NeoShell® ist ein neues Entwicklungsverfahren, bei der nun eine neue wasserabweisende, mikroporöse Polyurethan-Membran kombiniert wird mit einer streng regulierten Porengrößen. Dabei hat man nun im Endeffekt von einer Polyurethanbeschichtung die Haltbarkeit und Dehnbarkeit und zugleich von einem mikroporösen Gewebe die Atmungsaktivität. Nimmt man nun z.B. im Laden eine herkömmliche Membranjacke und zugleich auch eine NeoShell Jacke in die Hand, so wirkt die letztere Jacke bereits weicher und flexibler. Der Stoff ist elastischer und wirkt selber nicht wie eine klassische Hardshell. Durch den zuvor angesprochenen Aufbau der Membran ist in der Theorie ein positiver Luftaustausch entstanden. Im klassischen Membranaufbau kann nur der Wasserdampf nach außen dringen, hier wirkt alles etwas luftiger, so dass Kondenswasserbildung zuverlässig verhindert werden kann. Anders ausgedrückt ist man hier auch nicht mehr auf ein Temperaturgefälle angewiesen, wo je nach Größe die herkömmlichen Membranjacken mal besser und mal schlechter in ihren Leistungen abgeschnitten haben.

Blickt man nun weg von der Membran auf die eigentliche 66°North Jacke, so entdeckt man zumindestens in unserem Testobjekt eine einwandfreie Verarbeitung. Die Nähte, oftmals Schwachstellen einer Hardshell, sind ordentlich abgeklebt und auch die Reißverschlüsse sind allesamt gegen Nässe abgedichtet. Bei den Belüftungstaschen hat man natürlich auch an die typischen Zippergaragen gedacht und überlässt nichts dem Zufall.

Test auf Tour, im Herbst und Winter

Das isländische Rescue-Team unter der Leitung von Leifur Örn Svavarsson hat mit der Erfahrung bei der Entwicklung der Jacke mitgewirkt und so will ein Produkt der Arctic Edition von 66°North natürlich nicht in Stadtparks, sondern auf Trails bei jedem Wind und Wetter getestet werden. Gemäß den Aktivitäten im Outdoor-Netzwerk haben wir in verschiedenen Einsätzen versucht der Jacke mal Schwachstellen zu entlocken.

Beim Wandern….

Natürlich vollkommen unterfordert ist die Jacke im Einsatz beim Wandern. Reizvoll ist es jedoch für uns aber, um sich mal mit der Jacke fern von ablenkenden Rucksäcken oder Klettergurten mit der Snaefell zu beschäftigen.

Auffallend ist der Schnitt der Jacke, da dieser bezogen auf unsere Damenjacke besonders ergonomisch geformt gewesen ist und sich solo sehr gut tragen lässt. Der Rücken ist hierbei etwas länger, was natürlich bei bewegungsintensiven Aktivitäten, beim Tragen von Rucksack oder Klettergurt usw. positiv auswirkt. Nicht ganz unwichtig ist hier der Blick auch auf den Kragen, muss er auf Tour doch den Hals vor Kälte und Nässe schützen. 66°North ist hierbei recht großzügig gewesen und zugleich vorbildlich, da der Kragen recht hoch reicht und mit Kinnschutz ausgestattet ist. In Kombination mit einem Schal oder Kragen vom Midlayer ist man auch im Winter gut vor kaltem Wind geschützt. Oberhalb des Kragens kann man sich natürlich schon der Kapuze widmen, wir werden dies jedoch im Zusammenhang mit anderen Aktivitäten erst später erledigen.

Über einen Kordelzug im Saum auf der Innenseite kann man die Jacke gut regulieren. Anders als man es jedoch inzw. von immer mehr werdenden Jacken kennt, geschieht diese Einstellung jedoch noch am Saum direkt und nicht über die Innentaschen.

Im Dauerregen ohne Rucksack sieht man das Wasser sehr schön abperlen. Verglichen mit Active Shell sind die Wassertropfen vielleicht nicht ganz so rund, aber das wäre schon wieder quängeln auf hohen Niveau und eher ein subjektiver Eindruck fern eines wissenschaftlichen Tests. Unterm Strich ist man aber fern der Tropfenbeobachtung sehr gut vor anhaltender Nässe geschützt, wobei wir hier nun uns in der Jacke drei Stunden Schneeregen, ergiebigen Schneefall und 5 Stunden Dauerregen ausgesetzt haben. Egal in welcher Konsistenz man sich nun der Nässe auch ausgesetzt haben mag, im Innern hat man davon nichts feststellen können. Einen Unterschied zwischen den Wassersäulen hat man nun bei dieser Aktivität nicht wahrnehmen können.

Beim (Winter-)Trekking….

Eine kleine dezente Steigerung der Ansprüche gibt es beim Trekking. Hier haben wir natürlich den Aspekt des Wetterschutz besonders zu berücksichtigen. Während man bei einer kleinen Tagestour lediglich wenige Stunden die Outdoorbekleidung am Leibe trägt, muss man sich beim Trekking schon mal mehrere Tage bis hin zu mehreren Wochen auf seine Kleidung verlassen können. Nehmen wir mal die Trocknungsphase, es hat auf Tour den ganzen Tag geregnet, die Jacke ist von außen deutlich nass und am anderen morgen muss die Jacke spätestens wieder zum Einsatz kommen. Wirkt das weiche Material noch so, als würde es Feuchtigkeit nach außen hin länger halten, so ist die Jacke auch auf der Außenseite ruckzuck trocken und wieder einsatzbereit.

Mit Blick auf den Rucksackeinsatz gibt es an der Jacke nahtlose Schulterstücke zu entdecken, die eine optimale Bewegungsfreiheit gewährleisten sollen und zugleich unangenehme Reibungen bzw. Druckstellen, die sonst bei Schulterträgern und Nähten auftreten können, verhindert. Ebenso schon beim Rucksackeinsatz und in den Gedanken an einem Einsatz auf langen Trekkingtouren lohnt sich hier schon der Blick auf die Kapuze. Dank zweifachen Einstellmöglichkeiten ist die Sicht während einer Regentour nicht behindert. Die verstellbare Kapuze bietet mit Blende und Verstärkung im Schirm die nötige Starrheit und Möglichkeit, dass sich das Sichtfeld bei Bewegungen nicht ändert. Zum individuellen ändern der Kapuze gibt es hier wieder die bekannten Einstellmöglichkeiten in Form von Kordelzügen.

An den Ärmelbündchen findet man wie bei einer 3-Lagen-Hardshell schon fast zum Standard gehörend, die Verstellung mit Klettverschluss. Auch mit Handschuhen lassen sich diese noch gut einstellen und zuvor greifen. Lediglich die Belüftungstaschen sind im Bezug mit Handschuhen beim Wintertrekking nur schwer bis gar nicht (Fäustlinge) zu bedienen. Hier würde man sich vielleicht noch Hilfsmittel wünschen. Blickt man jedoch auf die bereits geschilderten Eindrücke zum Klima innerhalb der Jacke, so werden die Belüftungstaschen ohnehin nur für das Verstauen von Kleinkram gebraucht.

Den Verstaumöglichkeiten werden wir uns nun auch hier widmen und blicken so z.B. auf jeweils zwei RV-Seitentaschen, RV-Ärmeltasche und eine RV-Innentasche. Die letztgenannte Tasche ist eher etwas für das Basislager, als wahrlich für den Toureinsatz. Unser Eindruck war der, dass man die Tasche wohl eher umständlich erreicht und es praktischer ist, auf die anderen Taschen auszuweichen. Gänzlich auf die Tasche verzichten möchten wir jedoch auch nicht. Nachdem wir uns nun mehrfach mit den Belüftungstaschen an der Seite beschäftigt haben, widmen wir uns daher mal mit der Ärmeltasche. Diese Tasche könnte prinzipiell für alles genutzt werden, was man dringend braucht, was klein ist und auf Tour ständig rein und raus gekramt wird. Beste Beispiel hierfür wäre der Kompass, der Kartenausschnitt, die niedergeschriebene Wegbeschreibung oder das GPS-Gerät. Zu viel oder zu sperrig sollte das jeweilige Ausrüstungsteil jedoch auch nicht sein, da wenn schon nicht der Platzanspruch das Verstauen verhindert, dann jedoch das Tragegefühl. Im Winter kann man darin jedoch beim Skifahren gut den Skipass verstauen.

Beim Klettern…

Was beim Trekking der Rucksackschultergurt, ist beim Klettern der Hüftgurt. In beiden Fällen sind es ko-Kriterien für die Erreichbarkeit der Taschen, die die Snaefell jedoch nicht fürchten muss. Beim Klettereinsatz wird man sich zum einen über das elastische Material freuen, aber auch über vorgeformte Ellenbogen und eine Kletterhelm-kompatible Kapuze.

Fazit

Hatte man „früher“ noch für die Atmungsaktivität eine Softshell auf Tour im Dauereinsatz und beim starkem Regen als Wetterschutz eine reine Hardshell, so hat man nun bei NeoShell den gewonnenen Komfort, dass man unterwegs nicht mehr die Jacke wechseln muss. Das Abspecken des Rucksackgewichts ist zugleich ein schöner Nebeneffekt.

Was den Tragekomfort angeht, so hat man bei Polartec® alles richtig gemacht. Auf der Haut und außen fühlt man weiche Materialien, die auch beim Dauereinsatz nicht unangenehm werden, im Falle von Regen jedoch auch eine Regenjacke in der sich noch über Stunden das Wetter aushalten lässt. Nimmt man bewegungsintensive und schweißtreibende Aktivitäten in die Wertung, so war man selbst bei Anstiegen mit Schneeschuhen oder Skier, bei denen man sonst jede herkömmliche Dreilagenjacke vollgeschwitzt hätte, noch angenehm trocken auf der Jackeninnenseite.

Im direkten Bezug zur 66°North Snaefell muss man noch beachten, dass man hier ein universelles Modell in den Händen hält, was sich je nach Wahl des Midlayers für jede Wetter- und Temperaturlage eignet. Im Gegensatz zur Velourvariante hat man hier jedoch keine zusätzliche wärmespendende Schicht am Leib.

Von unserer Seite ein klare Empfehlung für die Jacke, die es als vorgestellte Damen- (66 North – Women’s Snaefell Jacket) und auch als Herrenversion (66 North – Snaefell Jacket) bei den Bergfreunden gibt. Nur kleine, ungünstige Details wie das Handling mit Handschuhen oder eben diese Anbringung der Innentasche kostet der Jacke unseren „Editor`s Choice“-Award, wer darüber hinweg blicken kann, der wird die Jacke lieben.

Details

Material: Polartec NeoShell (48% Nylon, 25% Polyester, 27% Polyurethane)
Belüftung: keine PitZips, dafür über RV-Seitentaschen
Taschen: 2 RV-Seitentaschen, RV-Ärmeltasche, RV-Innentasche
Gewicht: 458 g (mittlere Größe) bei den Damen, 514 Gramm (mittlere Größe) bei den Herren
Extras:
  • voll verstellbare Kapuze mit integriertem Schirm
  • verstellbare Ärmelbündchen
  • Kordelzug im Saum
  • Kinnschutz
  • vorgeformte Ellbogen
  • verlängertes Rückenteil
  • Praktische Kartentasche vorn am linken Ärmel
  • Innentasche mit Reißverschluss für kleine Gegenstände
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